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die_kstenruber_von_yumenech

Aus den Aufzeichnungen Olcurs des Reisenden:

„Entlang der zerfurchten, dicht bewaldeten Westküste Yumenechs findet sich ein Vielzahl kleinster Dörfer, die hauptsächlich von der Fischerei leben. Zwischen den Tücken der Rindrikja und den Gefahren der Grünen Finger, zwischen Quallenfluten und Legionärsameisen führen die Küstenbewohner ein hartes Leben voller Unwägbarkeiten und Entbehrungen. Weit entfernt sind die imperialen Statthalter, weiter noch die Flottenstützpunkte in Gehenna und Jankipar: Es kann also niemanden überraschen, dass die Küstenbewohner ihr mageres Einkommen hin und wieder durch Piraterie ergänzen.

Der Übergang zwischen Fischfang und Seeraub ist fliessend; ganze Dorfgemeinschaften samt Frauen und Kindern versammeln sich bei Gelegenheit auf den Booten und machen sich auf, ein vorbeifahrendes Handelsschiff zu überfallen. Dieses sieht sich bald umzingelt von flinken einmastigen Schiffchen, deren Besatzung Strömung und Wind vor ihrem Teil der Küste kennen wir ihren Handrücken, und die besetzt sind mit einigen Dutzend halbnackter Gestalten zwischen zwölf und sechzig Jahren. Ein grosses Geschrei trägt dann übers Wasser, und Messer, Beile und allerlei ausgefallene Werkzeuge werden geschwenkt; der unerfahrene Reisende mag fürchten, gleich von einer blutrünstigen Horde in Stücke gerissen zu werden. Der erfahrene Kapitän aber bleibt gelassen, lässt seine Mannschaft bewaffnet an der Reling Stellung beziehen und beginnt das Gefeilsche. Die Piraten verlangen die gesamte Ladung und schwenken ihre Waffen; der Kapitän bietet ihnen einen kleinen Teil davon an. Die Piraten schwenken entrüstet ihre Waffen, und der Kapitän erhöht sein Angebot. So geht es hin und her; wenn einer der Piraten lieber des Kapitäns Angebot annimmt, als mit seinem Leben in einem blutigen Kampf zu wetten, senkt er seine Waffen. Schliesslich, wenn der Kapitän glaubt, dass seine Mannschaft mit den verbliebenen kampfbegierigen Piraten fertig wird, endet das Feilschen. Einige Kisten Tabak, zwei Ballen melwether Tuch und ein Fässchen Rum mögen dann den Besitzer wechseln, Auskunft über Wetterverhältnisse und gute Fahrrouten wird bereitwillig gegeben, und der unerfahrene Reisende reibt sich die Augen ob des allseitigen guten Einvernehmens.

Vor einiger Zeit vernahm auch der Präfekt im fernen Shat von diesem Treiben, von der Piraterie als Nebenverdienst der Fischer, und seine Antwort darauf darf getrost als wahre Meisterleistung imperialer Logik bezeichnet werden: eine Steuer auf Fischfang. Es mag dem nicht in imperialer Idiotie geschulten Verstande an der Befähigung mangeln, zu verstehen, wie eine Erschwerung der Alternative zur Piraterie diese unterbinden soll; dennoch fährt seit einigen Wochen die imperiale Schaluppe Peregrin die Westküste Yumenechs auf und ab und knöpft jedem angetroffenen Fischerboot die Hälfte des Fanges ab. Auf Anweisung des Präfekten werden die Fische dann in der Peregrin verwahrt, bis sie in Preknat den Behörden ausgelieferte werden können. Entsprechend ist die Peregrin leicht an ihrem Geruch zu erkennen. Den Effekt dieser Strafexpedition vermag jeder durchfahrende Händler leicht an den ausgehungerten Küstenräubern zu sehen. Nur Schiffe der imperialen Handelskompanie haben keine Überfälle zu befürchten, sind sie doch schwer bewaffnet und stehen vor allem auch unter dem Schutz von Yondra Carvallus, der gefürchteten Herrin von Port Monsun.

So wenig der einfache Reisende den meisten Küstenbewohnern ihre gutmütige Seeräuberei verübeln mag, so muss er doch auch von ihren grausigen Auswüchse berichten. Denn auf der Weiterfahrt nach oben geschilderter Begegnung mögen wettergegerbte Seemänner von weniger glimpflichen Überfällen erzählen, von erbitterten Kämpfen auf Leben und Tod, von ganzen Schiffsbesatzungen, die niedergemetzelt oder in die Sklaverei verschleppt wurden. Einige Piratenbanden sind bekannt für ihre Blutgier und Ruchlosigkeit – dass gerade jene sich kaum mit Fischerei abgeben, mag vielleicht irgendwann auch bei imperialen Magistraten bekannt werden. Die gefürchtetsten dieser Küstenhaie sind die Ollonaschs: eine ausgedehnte Familie aus drei Generationen grausamer Mörder unter Führung der uralten Ferenkja, einer mächtigen Bluthexe. Widerliche Kannibalen sollen die Ollonaschs sein, die am liebsten die Glieder ihrer noch lebender Opfer vor deren Augen verspeisen. Sie stellen eine beachtliche Macht dar zwischen Preknat und Port Monsun, ihre Schandtaten verüben sie entlang der ganzen Rindrikja. Im Krieg kaperten sie gar ein imperiales Kanonenboot; seither wird ihr grösstes Schiff, der heruntergekommene Zweimaster Roter Fluch, von zwei Kanonen geziert. Nur Spekulationen gibt es darüber, ob die Ollonaschs das Schiesspulver besitzen, diese Geschütze auch zu benutzen, doch auch ohne Pulver stellt diese widerliche Sippe eine Gefahr dar für vorbeifahrende Schiffe und Küstenbewohner gleichermassen.“

die_kstenruber_von_yumenech.txt · Zuletzt geändert: 2018/07/29 18:17 von 127.0.0.1